Tjorg Douglas Beer
Auf schmalen Stängelkörpern balancieren flächige Ovale, die beides sein könnten: Blütenköpfe oder menschliche Gesichter. Vor nachtdunklem Grund scheinen die fragilen Figuren mit stilisierten Sternen zu tanzen. Tjorg Douglas Beers wandfüllendes Keramikrelief Jardin d’Espoir vereint anthropomorphe und florale Formen, comichafte Verkürzung und Konzentration auf das Wesentliche. Der französische Titel des „Gartens der Hoffnung“, den der 1973 in Lübeck geborene, international aktive und in zahlreichen privaten wie öffentlichen Sammlungen präsente Künstler für das Außengelände der Herbert Gerisch-Stiftung schuf, prangt in Spiegelschrift am oberen Rand. Die unregelmäßigen, wie aus Keksteig ausgestanzten keramischen Lettern unterstreichen die kindlich reduzierte Anmutung der Szene. Die Umkehrung der Worte entführt die Betrachter*innen sogleich ins doppelbödige Terrain der Magie, einem zentralen Schauplatz im multidimensionalen Werk des Künstlers.
Beer studierte an der Hamburger Hochschule für bildende Künste und lebt heute zwischen Berlin und Athen. Bekannt wurde er mit collageartigen Bildern, Assemblagen und Skulpturen, in denen unterschiedlichste Materialien und Motive aufeinanderprallen. Ambivalenz ist ein durchgehendes ästhetisches Prinzip des Künstlers. Das spielerische Moment, das seine Arbeiten verbindet, offenbart bei näherem Hinsehen Abgründe und Untiefen. Surreale Wesen bevölkern apokalyptische Topografien und Landschaftssplitter, die im nächsten Moment in arkadische Utopien umschlagen können. Ornamentale Elemente und wiederkehrende Signets überlagern amorphe, abgerissene Farbfelder. Politische und popkulturelle Erscheinungen greifen ineinander. Beer schöpft aus der eigenen Alltagsrealität ebenso wie aus dem medialen Image-Flow unserer Zeit.
Die gleichermaßen von massiven Krisen wie von vielfältigen kulturellen Einflüssen aus dem Nahen und Mittleren Osten geprägte gesellschaftliche Textur Griechenlands, wo der Künstler schon länger mit einem syrischen Keramiker aus Aleppo zusammenarbeitet, ist seinem Werk eingeschrieben. So auch der keramischen Außeninstallation Abracadabra Simsalabim im Skulpturenpark der Stiftung. Drei Figuren halten hier in luftiger Höhe auf einem fliegenden Teppich aus Stahl die Stellung. Das Ensemble verweist auf die prekäre Wirklichkeit von Krieg und Flucht, aber auch auf deren Überwindung, und evoziert zugleich eine märchenhafte Phantasmagorie wie aus "Tausendundeiner Nacht". Diese Vieldeutigkeit charakterisiert auch die Serien The Mind of the CEO oder Übler Wald, die zum einen auf die gefährlichen, gewaltunterfütterten Verstrickungen unseres globalökonomischen Systems deuten, zum anderen in einer traumartigen Narrative Befreiungsperspektiven eröffnen: Lichtblicke am Horizont.
Dr. Belinda Grace Gardner (Aus: OutsideInside - 20 Jahre Herbert Gerisch-Stiftung)